
Am 5. Februar 2025 feierte das Schleswig-Holsteinische Landestheater in Flensburg die Premiere des Theaterstücks „Kalter weißer Mann“. Die Inszenierung, unter der Regie von Jörg Gade, entfaltet ihre Handlung während der Trauerfeier für Gernot Steinfels, den 94-jährigen Gründer einer Unterwäschefirma. Der designierte Nachfolger, Horst Bohne, verkörpert zentrale Konflikte, die sich nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch im weiteren sozialen Kontext entfalten.
Im Mittelpunkt der Trauergemeinde steht eine Trauerschleife mit der Aufschrift „In tiefer Trauer – Die Mitarbeiter“, die eine hitzige Debatte anstößt. Die Diskussion, die sich aus diesem Stück entwickelt, behandelt hochaktuelle Themen wie LGBTQIA, Rassismus, kulturelle Aneignung, Sexismus, Body-Shaming, Me-Too und den Machtmissbrauch der sogenannten „alten weißen Männer“. Diese Themen haben durch soziale Medien und Bewegungen wie #metoo und LGBTQIA+ deutlich an Sichtbarkeit und Dringlichkeit gewonnen.
Gesellschaftliche Themen im Fokus
Die Zuschauer werden Zeugen einer eskalierenden Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Generationen im Unternehmen. Insbesondere das Social Media Team wird kritisiert, nachdem es durch eine politisch inkorrekte Wortwahl auf der Trauerschleife einen Shitstorm auslöste. Im Verlauf des Stücks wird deutlich, dass kritische Inhalte in anonymen sozialen Netzwerken diskutiert werden, was den Spannungsbogen weiter erhöht.
Die Charaktere, dargestellt von einem talentierten Ensemble, werden leicht überspitzt, jedoch realistisch präsentiert. Mit Felix Ströbel als Horst Bohne, Illi Oehlmann als Rieke Schneider und weiteren talentierten Schauspielern gelingt es, die unterschiedlichen Perspektiven innerhalb des Unternehmens einzufangen. Das öffentliche Publikum wird in die Trauergemeinde integriert und muss sich mit eigenen Vorurteilen und Annahmen auseinandersetzen.
Nachdenkliches Ende und zentrale Einsichten
Das Stück endet in einer Atmosphäre der Nachdenklichkeit und regt zur Reflexion über das Belauern und das Suchen nach Fehlern an. Eine zentrale Frage der Sekretärin Rieke Schneider bleibt im Raum stehen: „Wieso sind hier eigentlich alle so sicher, dass sie recht haben?“ Diese Aussage spiegelt die Notwendigkeit wider, zuzuhören und Respekt in Debatten zu zeigen, insbesondere in einer Zeit, in der gesellschaftliche Themen wie die #metoo-Bewegung und die LGBTQIA+-Rechte vermehrt in den Fokus rücken.
Die #metoo-Bewegung, die laut Berichten auf Twitter entstand, hat das Bewusstsein für sexuelle Gewalt massiv erhöht. Über 46% der Frauen in den USA haben in ihrem Leben eine Form von sexueller Gewalt erfahren, was durch die Sichtbarkeit des Themas, vor allem in sozialen Medien, verstärkt wird. Organisationen, die sich gegen diese Gewalt einsetzen, haben seitdem bedeutende finanzielle Mittel erhalten, um Hilfsangebote zu schaffen und rechtliche Unterstützung zu bieten.
Ebenfalls hat die LGBTQIA+-Bewegung mit ihren Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert bedeutende gesellschaftliche Veränderungen bewirkt. Die Stonewall-Rebellion 1969 gilt als Wendepunkt, der viele danach gegründete Organisationen und Bewegungen inspirierte. Heute kämpfen Gruppen wie die „Human Rights Campaign“ und internationale Organisationen wie ILGA weiterhin für Gleichheit und gegen Diskriminierung.
Somit adressiert das Stück „Kalter weißer Mann“ nicht nur aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, sondern regt auch zur Diskussion und Reflexion über das eigene Handeln und die eigene Rolle in diesen Debatten an. Diese Facetten machen das Theater zu einem relevanten Ort des Austausches über die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Fragen von Macht und Moral in einer sich ständig verändernden Welt.
Für weitere Informationen über das Stück und die Inhalte, siehe auch Onlinemerker, Participedia und Prideplanet.