
Quallen gehören zu den ältesten Lebewesen der Erde und sind in allen Ozeanen verbreitet. Die Ohrenqualle, wissenschaftlich bekannt als Aurelia aurita, steht im Mittelpunkt neuer Forschungen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Mikrobiologinnen untersuchen, wie das Mikrobiom, ein Zusammenspiel von Bakterien, Viren und Pilzen, die asexuelle Fortpflanzung der Qualle beeinflusst. Diese Studien zeigen, dass bakterielle Produkte, insbesondere Beta-Carotin, eine zentrale Rolle in dem Fortpflanzungsprozess spielen.
Ein charakteristisches Merkmal des Lebenszyklus der Ohrenqualle ist der Wechsel zwischen verschiedenen Stadien. Nach der Befruchtung entwickeln sich aus Eiern Planulalarven, die schließlich zu festsitzenden Polypen heranwachsen. Diese Polypen können sich vegetativ durch Knospung vermehren und sind mehrere Jahre alt. Unter bestimmten Bedingungen, wie niedrigen Temperaturen, finden dann Strobilationen statt, bei denen Ephyren, die jungen Medusen, gebildet werden. Ohne das Mikrobiom kommt dieser Prozess jedoch zum Stillstand, was zu Fehlbildungen und einer signifikanten Reduzierung der Fortpflanzung führt, wie uni-kiel.de berichtet.
Mikrobiom als Schlüssel zur Fortpflanzung
Die Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Ruth Schmitz-Streit stellt fest, dass das Mikrobiom einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit und Fitness von Aurelia aurita hat. In Experimenten mit sterilen Polypen, die ohne Mikroben lebten, wurden Entwicklungsstörungen beobachtet, die durch die Zugabe von Beta-Carotin oder Retinsäure, einem Umwandlungsprodukt des Beta-Carotins, behoben werden konnten. Beta-Carotin aktiviert zentrale Gene, die für die Strobilation wichtig sind. Dies verdeutlicht, wie essenziell Mikroben für den Fortpflanzungszyklus sind und dass ihre Abwesenheit das gesamte Entwicklungsprozess beeinträchtigen kann.
Zusätzlich zeigen die Ergebnisse, dass das Mikrobiom unabhängig von geografischer Herkunft stabil bleibt. Dies bedeutet, dass die Quallen in unterschiedlichen Umgebungen ähnliche bakterielle Gemeinschaften aufweisen. In einem Experiment wurden Polypen durch Antibiotika behandelt und keimfrei gemacht, was zu kleineren Tieren und gestörten Fortpflanzungsmechanismen führte. Die Wiederbesiedlung mit Mikroben stellte jedoch den normalen Fortpflanzungsablauf wieder her, was die Bedeutung von Mikroben für das Überleben und die Fortpflanzung der Quallen unterstreicht, wie geomar.de erläutert.
Rolle des Mikrobioms in marinen Ökosystemen
Die Verknüpfung zwischen dem Mikrobiom und der Entwicklung mariner Organismen wird immer deutlicher. Die aktuellen Ergebnisse könnten dazu beitragen, Phänomene wie die Häufigkeit von Quallenblüten besser zu verstehen. Forscher glauben, dass Veränderungen im Mikrobiom auch Auswirkungen auf marine Ökosysteme haben können. Da Aurelia aurita als Modellorganismus in der Mikrobiomforschung gilt, sind die Erkenntnisse nicht nur für die Biologie der Qualle selbst von Bedeutung, sondern auch für das Verständnis komplexer Ökosysteminteraktionen.
Die vollständigen Ergebnisse dieser umfassenden Studien sind in der Fachzeitschrift iScience veröffentlicht worden, wodurch ein wertvoller Beitrag zum Verständnis der Lebensweise und der Fortpflanzung von Aurelia aurita geleistet wird.