
Im Lübecker queeren Kinder- und Jugendzentrum kam es zu einem besorgniserregenden Vorfall, der die bereits angespannte Situation für LSBTIQ*-Personen in der Region verdeutlicht. Am letzten Mittwoch klopften zwei Männer an die Tür des Zentrums und fragten nach einer Toilette. Als ihnen mitgeteilt wurde, dass es keine öffentliche Toilette gibt, äußerten sie eine als unangemessen empfundene Bemerkung über die anwesenden Jugendlichen. Moritz Griepentrog, Landesgeschäftsführer des Vereins Lambda Nord, qualifiziert dies als queerfeindliche Morddrohung und äußert schwere Bedenken hinsichtlich der Sicherheit in der Einrichtung, die in einem oberen Stockwerk zum Schutz vor rechtsextremen Übergriffen liegt. Besonders kritisch zu bewerten ist die Tatsache, dass unter den Jugendlichen auch einige sind, die ihr Coming-out noch nicht vollzogen haben und daher einen sicheren Raum benötigen. Die beiden Männer, die schätzungsweise in ihren Mitte 30 waren, verließen die Szene ohne die Toilette benutzt zu haben.
Die Lübecker Polizei erhielt den firsten Anruf durch einen Mitarbeiter des Jugendzentrums. Doch die Reaktion ließ auf sich warten; erst eine Stunde später traf ein Streifenwagen ein. Die Polizei erklärte, dass beim ersten Notruf kein Anfangsverdacht einer Straftat vorlag und daher keine Streifenwagen sofort verfügbar gewesen seien. Bei dem zweiten Anruf wurde schließlich ein Streifenwagen geschickt, jedoch ohne Hinweise auf eine akute Gefahrenlage. Politische Vertreter der Fraktion Linke und GAL fordern nun eine Sondersitzung des Ausschusses für Sicherheit und Ordnung, um den Vorfall aufzuklären und die Akteure des Vorfalls zu begutachten.
Wachsende queerfeindliche Gewalt
Die Vorfälle in Lübeck sind nicht isoliert zu betrachten, sondern stehen im Kontext eines alarmierenden Anstiegs queerfeindlicher Übergriffe in Schleswig-Holstein. Die Zahl der gemeldeten Angriffe stieg von 15 im Jahr 2020 auf 68 im Jahr 2023. Etwa ein Fünftel dieser Taten kann rechtsextremen Ideologien zugeordnet werden. Bundesweit wurden im Jahr 2023 insgesamt 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ*-Personen registriert, was einen signifikanten Anstieg im Vergleich zu den 1.188 Straftaten im Jahr 2022 darstellt. Diese Zunahme unterstreicht die Gefahren, denen sichtbare LSBTIQ*-Identitäten im öffentlichen Raum ausgesetzt sind, da sie oft gezielt von Tätern angegriffen werden, die diskriminierende Motive hegen.
Hasskriminalität wird als die massivste Ausdrucksform von Queerfeindlichkeit angesehen und zielt darauf ab, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern. Viele Opfer zeigen Vorfälle nicht an, oft aus Angst oder Misstrauen gegenüber der Polizei, was die Dunkelziffer nicht angezeigter Straftaten auf 80-90% schätzt. Griepentrog fordert angesichts der wachsenden Gefahren ein Umdenken in der Gesellschaft sowie eine verstärkte Sensibilisierung und Schulung von Polizeibeamten in Bezug auf LSBTIQ*-Themen.
Politische Maßnahmen und Handlungsempfehlungen
Im Juni 2023 wurde auf einer Innenministerkonferenz beschlossen, die Bekämpfung von Gewalt gegen LSBTIQ*-Personen zu verbessern. Diese Entscheidung basiert auf den Handlungsempfehlungen eines Arbeitskreises, der auf Initiative des Bundesinnenministeriums ins Leben gerufen wurde. Der Abschlussbericht enthält insgesamt 22 Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzes und der Unterstützung von Betroffenen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit, die Betroffenen besser zu schützen.
Die letzte Erhebung zur Anzahl queerfeindlicher Straftaten zeigt, dass im Jahr 2022 mehr als 1.400 solcher Taten registriert wurden, wobei die Dunkelziffer als hoch eingeschätzt wird. Griepentrog und andere Vertreter der LSBTIQ*-Community fordern eine schnellere Umsetzung der Empfehlungen in den Ländern sowie eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, um LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität besser zu dokumentieren und die Sicherheit für alle, die in der Gesellschaft leben, zu erhöhen.