
Am 18. Februar 2025 findet im Großen Saal der „Gemeinnützigen“ in Lübeck ein bedeutender Vortrag über den Präfaschismus in Lübeck von 1921 bis 1933 statt. Der Referent, Michael Bouteiller, ehemaliger Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, wird um 19:30 Uhr die komplexen gesellschaftlichen und politischen Spannungen dieser Zeit thematisieren. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung, die von der Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V. organisiert wird, ist frei.
Bouteiller wird unter anderem die Entwicklungen im Freistaat Lübeck in den 1920er Jahren darstellen. Ein zentrales Element seines Vortrags wird die Diskussion der Flaggenfrage sein, die den Zwiespalt zwischen „Schwarz-Weiß-Rot“ und „Schwarz-Rot-Gold“ thematisiert. Darüber hinaus wird er den Verlauf unwiderruflicher gesellschaftlicher Transformation, der in eine faschistische Diktatur mündete, in 21 Stationen erläutern. Hierbei werden auch die weitgehend unbekannten Motivationen und Netzwerke der handelnden Personen näher beleuchtet. Zudem wird eine Definition von Präfaschismus als Vorstufe des Faschismus gegeben und auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, rechtzeitig gegen faschistoide Gedanken vorzugehen.
Historischer Kontext des Präfaschismus
Um das Thema in einen breiteren historischen Kontext einzuordnen, ist es wichtig, an die Figur Erich Mühsam zu erinnern. Mühsam wurde am 6. April 1878 in Berlin geboren, wuchs jedoch in Lübeck auf, nachdem seine Familie 1879 dorthin gezogen war. Als Sohn eines Apothekers zeigte er früh politi-sche Ambitionen, die bereits in der Schule sichtbar wurden, als er 1896 wegen „sozialistischer Umtriebe“ verwiesen wurde. Nach seinem Schulabschluss arbeitete er als Apothekergehilfe und wandte sich ab 1901 zunehmend dem Schriftstellertum zu.
Erich Mühsam war eine prägende Gestalt der anarchistischen Bewegung in Deutschland und pflegte Kontakte zu bedeutenden Persönlichkeiten wie Gustav Landauer und Else Lasker-Schüler. Von 1904 bis 1908 bereiste er verschiedene europäische Länder und knüpfte anarchistische Kontakte. Der talentierte Schriftsteller und Politiker war durch seine kritische Haltung gegenüber dem Wilhelminismus und den Krieg bekannt. 1931 wurde er aus dem Schutzbund Deutscher Schriftsteller ausgeschlossen, eine Maßnahme, die seine Isolation in der politischen Landschaft verdeutlichte.
Der antifaschistische Widerstand
Mühsam wurde zum Symbol des antifaschistischen Widerstandes, insbesondere nach seiner Verhaftung in der Nacht des Reichstagsbrandes vom 27. auf den 28. Februar 1933. In dieser Zeit erlebte er schwere Misshandlungen in Gefängnissen und Konzentrationslagern, die schließlich zu seiner Ermordung in der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 führten. Vor seinem Tod war er ein Mittler zwischen literarischem Schaffen und politischem Engagement. Seine letzte bedeutende Kampfschrift „Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat“ erschien 1932.
Mühsam zog 1926 aus dem Judentum aus, da er empfand, dass seine politischen Ideale mit den Glaubensregeln nicht kompatibel waren. Dennoch blieb er ein geächteter jüdischer Intellektueller und ein erbitterter Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus. Seine Verfolgung und sein Widerstand gegen das Regime sind bis heute zentral in der antifaschistischen Erinnerungskultur.
Der Vortrag von Michael Bouteiller wird somit nicht nur ein Blick auf Lübecks Geschichte im Kontext des Präfaschismus werfen, sondern auch die Lebensgeschichte eines bedeutenden Anarchisten wie Erich Mühsam in Erinnerung rufen, dessen Engagement gegen das Naziregime zur Inspiration für zukünftige Generationen dienen kann.