
Am Karfreitag, dem 18. April 2025, fand in Lübeck der ökumenische Kreuzweg statt, der unter dem Motto „Angst in der Welt – Haltung üben!“ durchgeführt wurde. Dieser bedeutende religiöse Anlass zog rund 400 Gläubige an, die die historischen Stationen des ältesten Kreuzwegs Deutschlands durchschritten, der im 15. Jahrhundert auf Initiative des Lübecker Kaufmanns Hinrich Konstin errichtet wurde. Die Teilnehmer begaben sich von der St. Jakobikirche zum Jerusalemsberg, wo die Andacht vor dem Relief des gekreuzigten Jesus endete.
Bischöfin Kirsten Fehrs, die den Kreuzweg leitete, stellte die Figuren von Maria und Pontius Pilatus gegenüber. Sie betonte die Spannungen zwischen Liebe und Tyrannei und zog Parallelen zur gegenwärtigen globalen Situation. Fehrs wies darauf hin, dass viele Menschen unter Krieg und Ungerechtigkeit leiden müssen. Ihre Worte klangen als eindringliche Mahnung, die Nachfolge Jesu im Alltag wirklich zu leben und sich für Menschenrechte und Demokratie einzusetzen.
Persönliche Schicksale und Frieden
Erzbischof Dr. Stefan Heße sprach während der Veranstaltung über ein ergreifendes Bild: einen palästinensischen Jungen, der im Gazakonflikt beide Arme verloren hat und nun auf Prothesen wartet. Heße entblößte die Schwere des Leidens und führte aus, dass Jesu Last an das Kreuz ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung sei.
Die Ansprachen und Gedanken des Erzbischofs wirkten in dem Kontext, dass der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Nöte auch Teil der Besinnung waren. Der frühere Ministerpräsident Björn Engholm, der ebenfalls an der Andacht teilnahm, äußerte scharfe Kritiken an den kriegstreiberischen Reden mancher Politiker und mahnte zur Rückkehr zu Frieden und Mitmenschlichkeit. Engholm zitierte Willy Brandt mit den Worten: „Der Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.”
Geschichtlicher Hintergrund und Liturgische Bedeutung
Der Lübecker Kreuzweg, der auch als „Via dolorosa“ bekannt ist und eine Länge von 1.650 Metern hat, folgt dem historischen Vorbild Jesu‘ in Jerusalem. Er veranschaulicht die tiefe Verbundenheit der Andacht mit den Wurzeln des Christentums. Ursprünglich pilgerten Christen bereits im 4. Jahrhundert nach Jerusalem, um den Leidensweg Jesu nachzuvollziehen. Die Grundform der Andacht wurde im Mittelalter von den Franziskanern in Europa verbreitet.
Dennoch besteht oft die Gefahr, den Kreuzweg lediglich als emotionales Erlebnis zu begreifen, ohne seine tiefere liturgische und theologische Dimension zu erkennen. Häufig wird dabei vergessen, dass die Andacht, die im Katechismus als Glaubensakt verankert ist, nicht einfach eine emotionale Betrachtung, sondern eine Gelegenheit zur Begegnung mit der rettenden Liebe Christi darstellt. Es wird gewarnt, den Kreuzweg als „trauriges Drama“ zu betrachten und biblisch nicht belegte Details unvermittelt hinzuzufügen.
Um die Bedeutung dieser Andacht zu vertiefen, wird geraten, mit einem biblischen Text zu beginnen und liturgische Gebete zu integrieren. Der Kreuzweg soll daran erinnern, dass das Leiden Jesu nicht nur eine Erzählung ist, sondern in der Liturgie als Heilsereignis verkündet wird.
Durch die starke Teilnahme der Gläubigen und die tiefen Ansprache der Kirchenvertreter wird der Lübecker Kreuzweg nicht nur als andächtige Fußreise gewürdigt, sondern auch als ein eindringlicher Appell zu Toleranz, Mitgefühl und Frieden in Zeiten der Angst und Unsicherheit.